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In der Musikschule Waghäusel-Hambrücken gibt es eine inklusive Tanzgruppe

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Zum Takt der Trommeln auf musikalischer Dschungelexpedition. In der inklusiven Tanzgruppe der Musikschule Waghäusel-Hambrücken stehen Menschen mit und ohne Behinderung auf dem Parkett. Tanzpädagogin Melanie Neuberth (graues Top) und Musiktherapeut Manuel Straßer (graues T-Shirt, an den Trommeln) leiten die Gruppe.


In der Musikschule Waghäusel-Hambrücken gibt es eine inklusive Tanzgruppe


Waghäusel. Zum rhythmischen Trommeln der Congas schleicht eine kleine Expeditionsgruppe durch dichten Urwald, vorbei an Lianen und allerlei wilden Tieren. Ihre Blicke sind wachsam, die Bewegungen vorsichtig – bis Lina plötzlich ein Krokodil erspäht und sich hinter dem Vorhang verkriecht. Das taktvolle Trommeln stoppt, doch das Mädchen bleibt im Versteck – solange, bis Tanzpädagogin Melanie Neuberth mit allerlei spielerischer Überredungskunst Lina wieder hinter dem Vorhang hervorgelockt hat – schließlich habe das Krokodil bereits die Flucht ergriffen.


Szenen wie diese sind für Tanzpädagogin Neuberth Alltag – und zugleich das, was sie an ihrer Tätigkeit besonders reizt: Die junge Frau leitet eine inklusive Tanzgruppe der Musikschule Waghäusel-Hambrücken. Die Idee dahinter ist simpel: „Inklusion bedeutet, einfach alle mitzunehmen“, erklärt Schulleiter Philipp Zink. Entsprechend steht die Tanzgruppe jedem offen: Egal ob jung oder alt, ob tanzerfahren oder Anfänger auf dem Parkett. Und die wohl größte Besonderheit: Egal ob mit oder ohne Behinderung. „Wir schaffen einen geschützten Rahmen“, so Zink. „Jeder bringt das ein, was er kann.“


Einmal wöchentlich trifft sich die bis zu 10-köpfige Gruppe – um gemeinsam mit vielem von dem zu brechen, was auf Tanzflächen sonst als gesetzt gilt. „Mit einer normalen Tanzstunde ist dieses Projekt kaum zu vergleichen“, erklärt Tanzpädagogin Neuberth – und das liegt vor allem an den Teilnehmern mit Behinderung, die auch heute in der Überzahl sind. „Viele hier nehmen Musik ungefilterter wahr“, beschreibt Musiktherapeut Manuel Straßer, der die Tanzstunden gemeinsam mit Neuberth betreut. „Emotionen, die in der Musik mitschwingen, werden sehr viel direkter gespiegelt“, findet er.


Und so werden in den anderthalb Stunden zwischen Gruppentänzen und Bewegungsübungen vor allem Menschen mit Behinderung zur treibenden Kraft. Etwa Johannes Straßburg, ein junger, scheinbar immerfröhlicher Mann. „Tanz oder gar nicht“, steht auf seinem T-Shirt, das er zur Probe trägt – ein Wortspiel, das für den 26-Jährigen zum Lebensmotto geworden ist. Sich mit gesprochener Sprache zu verständigen, fällt ihm schwer – scheinbar mühelos drückt er sich hingegen in der Bewegung aus – und steckt damit regelrecht an: „Ich liebe das Freie und Kreative“, sagt Gruppenteilnehmerin Eva Mensch, die selbst ausgebildete Musikpädagogin ist und hier ihre Freizeit verbringt. „Berufsbedingt tanze ich gerne“, sagt sie – dennoch spüre sie in gewöhnlichen Tanzstunden, noch dazu vor den eigenen Kollegen, eine Erwartung auf sich lasten. Anders hier, wo das Unkonventionelle zur Norm wird: „Ich kann mich ganz so bewegen, wie ich Lust habe“, beschreibt sie.


Nur gelegentlich sorgt dieser Ansatz für Schwierigkeiten: „Allen gleichermaßen gerecht zu werden, ist manchmal schwierig“, räumt Tanzpädagogin Neuberth ein. Nicht die einzige Herausforderung, vor der das Projekt steht: Für inklusive Gruppen müsse man grundsätzlich mehr Zeit und Personal einplanen, erklärt Schulleiter Zink. Finanziert wird das für die Teilnehmer kostenfreie Projekt deshalb auf ungewöhnlichem Weg. Seit kurzem unterstützt die Waghäuseler Zahnarztpraxis Stephan Eder die 2021 gegründete Tanzgruppe: Wer in der Praxis ausgedientes Zahngold gezogen bekommt, kann dieses direkt an das inklusive Projekt spenden. Dort plant man bereits am ersten Auftritt. Für Johannes Straßburg und seine Tanzpartner kein Grund zur Aufregung: „Tanzen kann doch jeder“, sagt er selbstbewusst.

David Heger (BNN)